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Gedenktag des persischen Dichters, Omar Khayyam

By 18. Mai 2021Juni 27th, 2023No Comments

Heute, den 18. Mai ist der Gedenktag des persischen Mathematikers, Astronom und Dichters, Omar Khayyam (1048 – 1123). Die Iranische Gemeinde in Deutschland hat Dr. Mahmood Falaki, den deutsch-iranischen Schriftsteller und den Autor des Buches, “Khayyams Weltsicht“ zu diesem Tag interviewt:

Omar Khayyam ist als Dichter, Mathematiker und Astronom bekannt. Was haben diese Themen miteinander zu tun?

Khayyam wurde in seiner Zeit vor allem als Mathematiker geschätzt. Er war als Astronom und Astrologe im königlichen Observatorium des seldschukischen Sultan Malik Schah tätig, glaubte aber nicht an Horoskope, nicht dass die Sternbilder Wirkung auf das Schicksal der Menschen haben. Er selbst veröffentlichte zu seinen Lebzeiten seine in Form von Vierzeilern (robā’īyāt) verfasste Dichtung nicht. Denn er musste fürchten, wegen skeptisch-frivoler Freigeisterei von der Geistlichkeit als Ketzer verdammt zu werden. Wahrscheinlich präsentierte er seine Poesie nur in einem sehr engen, gleichgesinnten Freundeskreis.

Sein Ziel war nicht, als klassischer Dichter Poesie zu verfassen. Für ihn war diese vierzeilige, kürzeste persische Gedichtform ein Mittel, um seine Gedanken, seine überwiegend skeptische Haltung und die Suche nach diesseitigem Lustgewinn und Sinnesgenuss, darzustellen. In seiner Zeit wurde er nicht als Dichter wahrgenommen. Etwa ein Jahrhundert später, als einige seiner Vierzeiler veröffentlicht waren, wurden manche Denker und Dichter auf ihn aufmerksam und er allmählich auch als Dichter anerkannt.

Es gibt eine besondere Verbindung und Wechselwirkung zwischen Khayyams wissenschaftlichen Arbeiten und seiner Art der Dichtung. Als Wissenschaftler musste er natürliche Phänomene rational recherchieren und mit der Präzision des Mathematikers erklären. Es gelingt ihm, unter Einfluss der griechischen Philosophie, dies in Ontologie umsetzen. So konnte er manche natürlichen Phänomene, nicht mit Hilfe religiöser Mythen, sondern mittels rationaler Gedanken veranschaulichen, sogar die Ausschließlichkeit der religiösen Interpretation von der Erschaffung der Welt in Frage stellen. Er dichtet z. B.:

Khayyam, wer sagte, dass es eine Hölle gibt?
Wer stieg zur Hölle, wer kam wieder aus dem Paradies?

Man muss wissen, dass zu Khayyams Lebzeiten und auch noch lange später, das Unterrichten von Naturwissenschaft und Philosophie, besonders der griechischen Philosophie, verboten war. Um Klerikern und Sufisten keine Angriffsfläche zu bieten, verfasste er deshalb seine Weltsicht nicht in Prosa, wie seine anderen, veröffentlichten Werke, sondern in Gedichtform, fast einer Art Aphorismen, ohne sie Publik zu machen.

 

Welche Gedanken und Aspekte von Khayyam wurden im Westen weniger oder gar nicht dargestellt?

Mit Beginn der Epoche der Aufklärung im Westen, wollten Wissenschaftler, insbesondere Philosophen, natürliche Phänomene und Ereignisse rational erklären. Khayyam wurde als Mathematiker, Autor einer langen Zeit vorherrschenden Werkes der Algebra wiederentdeckt, der u.a. die Lösung kubischer Gleichungen und das Pascalsche Dreieck bereits im 11. Jahrhundert fand. Im Laufe der weiteren Entwicklung der modernen Mathematik aber geriet Khayyam allmählich wieder in Vergessenheit.

Erst als der romantische englische Dichter Edward FitzGerald, Mitte des 19. Jahrhunderts, die dem Zeitgeschmack entsprechenden Vierzeiler Khayyams ins Englische übertrug und kongenial nachdichtete, wurde Khayyam im Westen, besonders den anglo-amerikanischen Ländern, als Dichter bekannt.

In Deutschland wurden einige Vierzeiler um 1818 von Hammer-Purgstall übersetzt. 1827 legte Friedrich Rückert einige Nachdichtungen vor. Aber Kayyam wurde damals nicht, wie andere bekannte persische Dichter, geschätzt. In Goethes „West-östlicher Divan“ (Erstauflage 1819) ist von Khayyam keine Rede, obwohl Goethe außer Hafis‘ weitere persische Literatur kannte und sie, besonders das sogenannte „Siebengestirn“ der persischen Dichter (Hafez, Firdausi, Nezami, Rumi, Sa`di, Anwari und Dschami), in seinen Divan ein und mithin umarbeitete. Goethe rühmt die persische Dichtung derart, als sähe er in ihr seine Wunschvorstellung von der Dichtkunst verwirklicht: „Die Fruchtbarkeit und Mannigfaltigkeit der persischen Dichter entspringt aus einer unübersehbaren Breite der Außenwelt und ihrem unendlichen Reichtum.“ Jedoch hat er aber kein Wort über Khayyam verloren und dieser ist auch heutzutage in der anglo-amerikanischen Welt bekannter als in anderen westlichen Ländern.

 

Khayyam ist für seine Vierzeiler am bekanntesten. Wenn Khayyam die Vierzeiler nicht geschrieben hätte, hätten wir ihn auch als Mathematiker und Astronomen gekannt?

Nein! Obwohl er im Auftrag des Sultans mit seinen Kollegen den Sonnenkalender erstellte, auf den der gegenwärtige iranische Kalender beruht und seine mathematischen Lösungen weltbekannt waren, sind sie inzwischen historisch und wie bereits vorher erwähnt, von der modernen Mathematik überholt.

Der Inhalt seiner etwa 80 Vierzeiler jedoch ist immer noch aktuell und wird nicht nur aufgrund der allgemeingültig weltlich menschlichen Themenwahl hoch bewertet, auch die gewählten stilistischen Mittel und die subtile Sprache seiner Vierzeiler-Dichtung sind herausragend.

 

Welche Bedeutung hat Khayam für Sie?

Meiner Ansicht nach sind Khayyams Verse aktueller denn je. Betrachtet man die steigende Neigung von Menschen auf der ganzen Welt, sich religiösen Mythen zuzuwenden und auch das Wiederaufleben der Islamisten, ist Khayyams Weltanschauung, die gegen Aberglauben und Fanatismus und für Toleranz, Vernunft, Lustgewinn und Sinnengenuss steht, gegenwärtig sehr wichtig. Aus eben diesem Grund habe ich ein Buch über „Khayyams Weltsicht“ verfasst.

 

Zitieren Sie uns am Ende einen Satz oder einen Vierzeiler von Khayyam.

„Trink Wein, denn das Firmament führt
deine und meine Zerstörung im Schilde;
setze dich ins Grün und trink klaren Wein,
denn dieses Gras wird reichlich aus deinem und meinem Staube wachsen.“

می‌ خور که فلک بهر هلاک من و تو 
قصدی دارد بجان پاک من و تو
در سبزه نشین و می روشن میخور
کاین سبزه بسی دمد ز خاک من و تو

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